Los geht es mit dem Rahmen. Der Kunde hat die Wahl zwischen drei Modellen und 200 Farben. Sattel, Reifen, Bremsen, Lenker, Licht – bis zum Traumfahrrad sind es nur ein paar Klicks. Der Online-Fahrrad-Konfigurator führt den Kunden Schritt für Schritt zum Ziel. Doch erst drei bis sechs Wochen später kann er in die Pedale treten. Davor müssen Christoph Florin, Geschäftsführer des Lüneburger Unternehmens KreativRad, und sein Team rund 300 Teile zusammen bauen. Jedes davon ist mit Bedacht ausgewählt. Erstklassige Qualität sei das A und O in der kleinen Lüneburger Fahrradschmiede, sagt Florin: „Schließlich wollen wir, dass unsere Kunden lange Freude an ihrem Fahrrad haben.“
Der 35-Jährige, ein hochgewachsener, schlanker Mann mit dunklem Drei-Tage-Bart und warmem Lächeln, ist als gelernter Lebensmitteltechniker ein Quereinsteiger im Fahrrad-Business. Und einer, der mit langlebigen Unikaten ganz bewusst einen Kontrapunkt zum Massengeschäft setzt. „Für mich ist das auch eine Frage von Verantwortung“, sagt Florin. Viele Räder würden heutzutage bereits nach kurzer Zeit auf dem Müll landen, weil sich eine Reparatur nicht lohnt: „Der Markt ist auf den Verkauf neuer Ware ausgerichtet.“ Das passe nicht zu modernen Nachhaltigkeitsansätzen. Und es passt auch nicht zu Christoph Florin, für den Geld „nicht so wichtig ist“ und der mit KreativRad keine ehrgeizigen Expansions-Ziele verfolgt, sondern lieber „organisch wachsen“ möchte. Die einfache Regel: „Wir werden größer, wenn mehr Menschen unsere Fahrräder kaufen.“
Die Zeichen dafür stehen gut. „Wir gelten als Pionier im Bereich der Individualisierung von Standardfahrrädern“, sagt Florin. Damit bedient KreativRad eine Nische, die zum bundesweiten Trend avanciert: Für drei Viertel aller Verbraucher ist die individuelle Gestaltung von Produkten in mindestens einem Lebensbereich wichtig. Das zeigt eine kürzlich veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa unter 1.000 Menschen zwischen 14 und 65 Jahren. Die Pionier-Arbeit im Fahrradmarkt, die Florin in seiner kleinen Lüneburger Werkstatt leistet, bleibt wohl auch deshalb großen Händlern nicht verborgen. „Die haben uns im Blick“, sagt Florin. Sorgen macht er sich deshalb nicht. Er versteht es eher als Anerkennung, „wenn es einer kleinen Manufaktur wie unserer gelingt, Aufmerksamkeit zu erregen“.
Etwa 300 Fahrräder pro Jahr starten aus Lüneburg zu den Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zu den Abnehmern zählen Privatkunden ebenso wie Unternehmen, die ihre Firmenfahrräder steuerlich geltend machen können. „In München fahren sogar Mitarbeiter des Tüvs mit Kreativrädern zur Baustellenabnahme. Wenn das keine Auszeichnung ist.“ Florin lacht und streicht mit der Hand über einen quietschgelben Rahmen, der in einem Montage-Ständer mitten in seiner Werkstatt steht. Der Auftrag eines Kunden aus Süddeutschland. 80 Prozent der Kreativ-Rad-Käufer bestellen online. Kosten pro Rad: 700 bis 2.000 Euro, ein gutes Gefühl inklusive. Nachhaltigkeit ist eine tragende Säule im Hause KreativRad. Florin achtet auf regionale Lieferketten und wenn er einen neuen Ledersattel bestellt, will er genau wissen, wie die Kuh gelebt hat und ob auch das Fleisch verwertet wurde. „Manchmal muss ich länger auf eine Antwort warten, aber ich beharre darauf.“ Er grinst. Gute Produkte seien ihm eben wichtig. Ebenso wie ein gutes Miteinander. Und das gilt in Bezug auf Kunden und Kollegen ebenso wie auf die Konkurrenz, oder, wie Florin sagt, „unsere Marktbegleiter.“ Man führe einen regen Austausch, gehe offen miteinander um.
Gestartet hat Florin KreativRad Ende 2011 mit Null Euro Gründungskapital. „Mein Input war meine Arbeitsleistung“, sagt der Jungunternehmer. Den Fahrrad-Konfigurator hat er von einem Förderprojekt der Leuphana-Universität übernommen, beim weiteren Aufbau von Onlineshop und Unternehmen hat er auf ein Netzwerk von freien Mitarbeiten zurückgegriffen. Ein Programmierer, eine Grafikerin, eine Bürokraft und mehrere Fahrradmechaniker zählten bis heute zum Team. Finanziell reicht es noch nicht, um so viele Spezialisten anzustellen, also fragt Florin sie punktuell dann an, wenn er sie braucht. Erst seit kurzem hat er einen Festangestellten: Mahdi Hilo, ein Flüchtling aus dem Irak, unterstützt den Chef bei der Montage der Unikate. Oft sucht Florin tagelang, um die Wünsche seiner Kunden zu erfüllen. „Mal ist es ein Fahrradkorb, der mit dem Lenker mitschwenkt, mal ein spezieller Sattel oder eine besondere Klingel“, sagt Florin und die Begeisterung für sein Produkt ist ihm anzumerken. Er lacht. „Ja, das ist tatsächlich so. Für mich ist das Fahrrad das schönste Fortbewegungsmittel der Welt.“
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Dein KreativRad-Team